Eine Reise in die Vergangenheit

Nürensdorfer Schulklasse erkundet Geschichte des Wohnortes

Eine Reise in die Vergangenheit

Die Nürensdorfer Sekundarklasse von Jon Andry Mosca beteiligt sich dieses Schuljahr am kantonalen Projekt Zeitreise. Sie hat mit der Historikerin Ariane Tanner Fakten und Details zur Vergangenheit von Nürensdorf erarbeitet und sich dabei in einer lustvollen Form der Geschichtsschreibung angenähert.

von Susanne Gutknecht

Der Tenor der Schüler war im ersten Moment eindeutig: «Oh je - was wollen die wieder mit dieser Zeitreise.» Was für die Schüler zu Beginn wenig greifbar war und sich nach langweiliger Arbeit anhörte, entpuppte sich unter der Führung der Historikerin Ariane Tanner, die im Projekt Zeitreise der Stiftung STEO mitarbeitet, zu einem spannenden und mit viel Freude gelebten Geschichtsunterricht. In den zwölf Bezirken des Kantons wird jeweils eine Klasse bestimmt, die im Rahmen des normalen Schulunterrichts Geschichten über die Geschichte des Kantons Zürich schreibt.

Gegliedert ist das Projekt in drei Schritte: die Recherche, das Erzählen und die visuelle Umsetzung. Ariane Tanner hat die Recherche geleitet und ist erfreut wie motiviert, und mit viel Seele die Schüler auf ihre Aufgabenstellungen und Anregungen reagiert haben: «In der Vorbereitung des Projektes zeigte sich mir eine scheinbare Ereignislosigkeit in der Geschichte von Nürensdorf: ein landwirtschaftlich geprägtes Dorf, das sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer attraktiven Agglomerationsgemeinde entwickelte.» Als Historikerin hat sie genauer hingesehen und die bewegte Geschichte der Brauerei und des Schlosses als Basis für ihre acht Besuche bei der Klasse im Schulhaus Hatzenbühl genommen.

 
Erkunden im Feld

Ein Dorfrundgang mit der Schulklasse schärfte den Blick für das architektonisch erhaltene Zentrum und setzte den Boden für die Geschichten, die Tanner den Schülern als Einstieg mitgab. Anschliessend vertiefte die Klasse mit verschiedenen Methoden einzelne Themen. Die Jugendlichen vergleichen Fotografien, stöberten in alten Büchern, erkundeten Schriftzeichen und besuchten die Brauerei mit einer Führung. Auch das Ortsmuseum und die vielen Geschichten, die die Präsidentin der Ortsgeschichtlichen Kommission Ruth Meyer erzählte, erschloss den Schülern eine verborgene und spannende Welt. «Alles war so klein früher: Die Möbel kürzer, die Decken tiefer und am Wohnzimmertisch haben sie nur gegessen, wenn Besuch kam», erzählen Joel und Emre erstaunt.

 
Hollywood im Dorf

Viele der gehörten Geschichten haben einen tiefen Eindruck hinterlassen. So sind alle erstaunt über die brutale Geschichte der Vergiftung des Ehemannes mit Rattengift oder auch Krankheiten wie Kinderlähmung, die Nürensdorf heimgesucht hatte und die Schüler heute nicht mehr kennen. Artijola und Rafaela wähnten sich zwischenzeitlich in Hollywood und nicht im Dorf Nürensdorf. Wie vielfältig die erlebten Geschichten sind, zeigt das Inhaltsverzeichnis von Erik und Yannik. Mit Linien haben sie Verbindungen geknüpft zwischen den Fakten, die sie gehört und selber recherchiert haben. «Es hängt alles irgendwie zusammen», fassen sie ihre Erkenntnisse zusammen, «von einem Namen aus kann ich bis zum zweiten Weltkrieg eine Verbindung schaffen», stellten sie erstaunt fest. Eines ist sicher: Der Rechercheteil hat den Jugendlichen die Augen geöffnet für eine spannende «historische Krimiwelt» an ihrem Wohnort. Sie laufen auf ihrem Weg in die Schule bewusster durch Nürensdorf, erklären sie unisono.

 
Beurteilungsfreier Raum

Ist das Ziel von Tanner somit erreicht? Die Historikerin schmunzelt. «Es war meine grosse Hoffnung, dass sie Feuer für die Geschichte fangen. Aber planen kann man das nicht. Es hat sich durch ihren Eifer und involvierte Personen wie Ruth Meyer oder Ludwig Keller, der ebenfalls im Interview alte Zeiten aufleben liess, ein Spannungsbogen aufgebaut, aus dem sich eine positive Eigendynamik entwickelte.» John Andry Mosca muss das Projekt mit den Lernzielen vereinbaren, ist aber vollauf überzeugt vom Projekt Zeitreise. «Es ist ein beurteilungsfreier Raum ohne Noten, es wird Mundart gesprochen und damit ein anderes Lernfeld, das sie positiv wahrnehmen.» Profitieren könne er vom Praxisbezug. Das Einbetten von Inhalten wie der Interview-Techniken oder wie man mit Quellen umgehen müsse, bleibe viel besser in den Köpfen der Schüler verankert.

 
Der Artikel erschien im Nürensdorfer Dorf-Blitz  
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